Wahrnehmungsstörungen

Von Wahrnehmungsstörungen - oder besser formuliert - von Wahrnehmungsverarbeitungsstörungen sprechen wir dann, wenn die auf den unterschiedlichen Sinneskanälen eingehenden Sinnesreize aus unserer Umwelt im Gehirn nicht sinnvoll miteinander verarbeitet werden können.

Aus einer Unmenge von Reizen, die in jeder Sekunde auf unser Gehirn einstürmen, dürfen nur die allerwichtigsten Stimuli selektiert, weitergeleitet und verarbeitet werden, damit der Lernende das Wesentliche erfassen kann.

Je besser dies gelingt, desto besser funktionieren die für das Lernen entscheidenden Basis-Fähigkeiten FokussierungAufmerksamkeit und Konzentration.

Gelingt der Selektionsprozess während des Inputs nicht oder gerät der Verarbeitungsprozess phasenweise ins Stocken, so kann kein vernünftiger Output und damit kein sinnvoller Handlungsplan entstehen. Die produzierten Arbeitsergebnisse weisen Fehler auf, sind unlogisch oder zumindest unpassend und häufig unstrukturiert. Je stärker die Reizüberflutung für einen oder mehrere Sinneskanäle ist, desto schwieriger ist dieser Ausleseprozess. 
Dies gilt für Phasen mit einer erhöhten Anzahl an Stimuli ebenso wie für Tätigkeiten oder Orte mit massiver Reizüberflutung.

Wahrnehmungsstörungen lassen das Kind seine Umwelt und alles, was es erlebt anders sehen, anders hören, anders fühlen, anders spüren, anders riechen, anders schmecken. Demzufolge kommt es oft zu anderen Interpretationsergebnissen des anders Gesehenen, Gehörten, Gefühlten, Gespürten, Gerochenen und Geschmeckten. Für uns ist dies nicht immer einfach zu decodieren und zu verstehen. Deshalb wundert es kaum, wenn auf dieser Folie unterschiedlicher Wahrnehmungen so unendlich viele Missverständnisse und Kommunikationsprobleme im Zusammenleben mit Anderen zu Hause oder in der Schule entstehen.

Wenn Wahrnehmungsstörungen - wie so oft - einen Menschen von Beginn an begleiten, so kann er selbst die Tatsache, dass er anders wahrnimmt nicht wirklich zuordnen, da er ja immer nur eben diesen, seinen eigenen Erlebnishorizont hatte. Deshalb kann er diese gestörten Wahrnehmungen auch nicht als falsch oder richtig einordnen und als passend oder unpassend bewerten, denn ihm selbst fehlt der Vergleich. Verbalisieren lassen sich aber nur Empfindungen, die wir einordnen können. Meist merken Betroffene nur, dass da etwas irgendwie nicht stimmt ohne eine genauere Abgrenzung vornehmen zu können.

In der Arbeit mit Kindern, die unter Wahrnehmungsstörungen leiden, entstehen so oft klärende Situationen, wenn Kinder auf gezielte Fragen hin die einzelnen, meist störenden Wahrnehmungsphänomen erstmals für sich selbst zuordnen und in Folge verbalisieren können. Viele Eltern erwidern völlig erstaunt und manchmal auch schockiert: "Davon hast du mir aber noch nie erzählt!"