Wenn Kinder große Probleme mit dem Lernen des Lesens (Leselernprozess) und der Schriftsprache (Rechtschreibung/Orthografie) haben, sollten Eltern an die Möglichkeit einer vorliegenden Lese-Rechtschreibschwäche (LRS) oder Lese-Rechtschreibstörung denken und ihr Kind umfassend ganzheitlich testen lassen. Leider wird das Vorliegen einer LRS oft erst gar nicht vermutet, (zu) spät oder schlimmstenfalls gar nicht erkannt. So müssen Sie als Eltern meist von sich aus die Initiative ergreifen.
Auch hier wird im Rahmen der Schule gerne vertröstet:
- so schlimm sei das jetzt noch nicht
- andere Kinder wären auch nicht viel weiter
- Niklas werde das schon lernen ...
- er müsse sich nur anstrengen und fleißig üben ...
Genau das fällt unserem Niklas aber nicht so leicht wie es gesagt und gedacht ist. Hat Niklas Probleme mit der zentralen Reizverarbeitung, dann verschlimmbessert intensives Üben von Lesen und Diktat die Situation sogar eklatant. Die Fehlerrate steigt, es werden zusätzliche Fehler generiert und gleichzeitig nehmen verständlicherweise Motivation und Frustrationstoleranz ab. Hausaufgaben werden zur täglichen Krisensitzung.
Streit, Stress, Verweigerung und Tränen zerren an den Nerven von Eltern und Kind. Wertvolle Zeit verstreicht und entmutigt das Kind im Hinblick auf seine Kompetenz und sein Selbstwertgefühl. Gerade sehr pfiffige, weil gut begabte, intelligente Kinder können besonders schlecht mit solch einer Situation umgehen. Insgeheim befürchten sie doch nicht schlau zu sein und sogar für dumm gehalten zu werden.
Als Erstes müssen hier durch intensive ganzheitliche Wahrnehmungsförderung bessere Grundvoraussetzungen für diese anstehenden Lernprozesse Lesen und Schreiben auf Wahrnehmungsebene geschaffen werden. Erst wenn ein Kind von seiner Wahrnehmungsorganisation her in der Lage ist, seine Umwelt richtig wahrzunehmen, also richtig zu sehen und richtig zu hören, also richtig gehörte Laute mit richtig gesehenen Buchstaben- bzw. Wortbildern wiederum richtig zu verknüpfen, dann macht konkretes sinn-volles Üben Sinn und führt zu nachhaltigem Lernerfolg.
Diese Anzeichen sollten Sie mit Hinblick auf dass mögliche Vorliegen einer Leseschwäche oder Lesestörung, einer LRS, Lese-Rechtschreibschwäche, Lese-Rechtschreibstörung oder Legasthenie hellhörig machen. Nur in seltenen Fällen treten alle genannten Leseprobleme und/oder alle genannten Rechtschreibprobleme auf einmal auf.
Probleme beim Lesen:
- Ihr Kind/der Schüler liest selten oder sehr ungern
- Ihr Kind/der Schüler liest wenn nur Comics, weder Bücher noch Zeitung
- Ihr Kind/der Schüler liest langsam und/oder stockend und/oder betont falsch
- Ihr Kind/der Schüler liest ungern laut vor und vermeidet fast immer Situationen des Vorlesens
- Ihr Kind/der Schüler liest sehr flüchtig und ungenau
- Ihr Kind/der Schüler scheint beim Lesen die Wörter zu erraten
- Ihr Kind/der Schüler verwechselt beim Lesen einzelne Wörter mit ähnlich aussehenden Wörtern (Männchen Mädchen)
- Ihr Kind/der Schüler ergänzt das zu Lesende aus dem Sinnzusammenhang
- Ihr Kind/der Schüler überspringt beim Lesen Buchstaben, Buchstabengruppen, Silben, Wörter oder ganze Zeilen
- Ihr Kind/der Schüler verwechselt beim Lesen einzelne Buchstaben (z. B. b → d, n → m, w → m, t → f, ch → sch, d→ g, f→ w)
- Ihr Kind/der Schüler bemerkt die eigenen Lesefehler nicht
- Ihr Kind/der Schüler versteht den Inhalt des Gelesenen nicht
- Ihr Kind/der Schüler merkt sich den Inhalt des Gelesenen nicht
- Ihr Kind/der Schüler versucht vor allem schriftlichen Hausaufgaben oder Leseaufgaben auszuweichen
Probleme beim Schreiben:
- Ihr Kind/der Schüler schreibt gleiche Wörter immer wieder anders - mal richtig, mal falsch - oder mehrmals hintereinander richtig, dann erneut falsch (Apfel, Afpel, Afel, Apel, Aapfel, Aphel, Apfel, Apfel, Apfel, Afpel, Aapfel)
- Ihr Kind/der Schüler lässt Buchstaben, Silben, Wortsegmente, Endungen oder ganze Wörter aus oder fügt diese hinzu (z. B. Bananenstauden → Banenstuden, geschrieben → gegeschrieb, bereitet → bereitetet, verträumt → vetäumt, Marsmännchen → Masmännschen, nicht → nich)
- Ihr Kind/der Schüler verwechselt Buchstaben, Laute und Silben (z. B. b → d, n → m, w → m, t → f, ch → sch, d→ g, f→ w, nehmen → nehnen)
- Ihr Kind/der Schüler vertauscht Buchstaben, Silben, Wortsegmente oder ganze Wörter in der Reihenfolge (verträumt → vertäumrt, der → dre, Fußball → Bußfall, die → dei, reichen → riechen)
- Ihr Kind/der Schüler schreibt intensiv geübte Texte/Diktate mit verhältnismäßig wenigen Regelfehlern (Rechtschreibfehler bei Groß-/Kleinschreibung, Dehnungsfehler, Dopplungsfehler, Ableitungsfehler), aber ggf. mit vielen Wahrnehmungsfehlern
- Ihr Kind/der Schüler schreibt besonders ungeübte Texte/Diktate mit außergewöhnlich vielen so genannten Regelfehlern(Rechtschreibfehler bei Groß-/Kleinschreibung, Dehnungsfehler, Dopplungsfehler, Ableitungsfehler) und/oder mit vielen Wahrnehmungsfehlern
- Ihr Kind/der Schüler schreibt Abschreibtexte mit vielen Fehlern und/oder auffällig langsam
- Ihr Kind/der Schüler hat beim Rechtschreiben keinen nachhaltigen Lernerfolg
- Verstärktes Üben vermindert die Fehlerzahl nicht – im Gegenteil – es entstehen sogar zusätzliche neue Fehlerkombinationen
- Ihr Kind/der Schüler hat Probleme, grammatikalische Strukturen zu erkennen und zuzuordnen
- Ihr Kind/der Schüler hat Angst vor einem Diktat oder einer schriftlichen Klassenarbeit
Wird Lesen und Rechtschreiben unter ursachenbezogener Wahrnehmungsförderung ganzheitlich erarbeitet, verliert beides die Anstrengung.
Bei dem Gedanken an eine Lese-Rechtschreibstörung oder Lese-Rechtschreibschwäche (LRS) machen sich Eltern berechtigterweise große Sorgen. Bitte bedenken Sie zunächst, dass eine auf Wahrnehmungsebene hervorragend geförderte LRS/Legasthenie die langfristigen Einschränkungen bezüglich schulischen Lernerfolgs extrem minimiert.
Je eher mit der ganzheitlichen Entwicklungs-, Bewegungs- und Lernförderung begonnen werden kann, desto reibungsloser ist auch das spätere Lernenvon Fremdsprachen möglich. Aus meinen empirischen Erfahrungen mit Lese-Rechtschreibstörung oder Lese-Rechtschreibschwäche (LRS)kann ich immer wieder beobachten: Sobald die Wahrnehmungsprobleme, die hinter einer Lernstörung liegen, behoben sind, entwickeln sich die Lernfähigkeiten so, dass die Lerninhalte von da an richtig wahrgenommen, verknüpft und gespeichert werden können.
Demzufolge werden bei frühzeitiger ganzheitlichen Entwicklungs-, Bewegungs- und Lernförderung in den ersten Grundschuljahren in den Fremdsprachen gleich von Anfang an weitaus weniger Fehler produziert als in der Muttersprache. Beginnt die ganzheitliche Förderung erst später, verlagert sich dieser Prozess in die Mittelstufe. In Abhängigkeit seines jeweiligen Gesamtpotenzials wird das Kind/der Schüler zunehmend lernen, seine Ressourcen komplex und erfolgreich zu nutzen.
Bei guter Begabung an sich sind auch bei vorliegender LRS generell alle Schulabschlüsse wie Mittlere Reife, ZAP und Abitur, Studium zu meistern, wenn rechtzeitig ausreichend und auf breiter Wahrnehmungsebene ganzheitlich gefördert wurde. Auch Einschränkungen in Bezug auf angestrebte Ausbildungen und Berufe werden in diesem Zusammenhang zunehmend abgebaut.
Für "Schülerinnen und Schüler mit besonderen Schwierigkeiten im Lesen und Rechtschreiben [...] kommt" in der Bundesrepublik Deutschland "ein Nachteilsausgleich [...] beim Erlernen von Lesen und Rechtschreiben in Betracht und wird mit andauernder Förderung in den höheren Klassen wieder abgebaut." (Grundsätze zur Förderung von Schülerinnen und Schülern mit besonderen Schwierigkeiten im Lesen und Rechtschreiben oder im Rechnen, Beschlussfassung der Kultusministerkonferenz vom 4.12.2003, i.d.F. vom 15.11.2007). Detaillierte, speziell auf Länderebene geregelte Ausführungen zum Nachteilsausgleich sind für jedes Bundesland in dessen eigenem kultusministeriellen Erlass geregelt.
- Sind Schüler bis zum Eintritt in die Kursphase sehr gut und vor allem umfassend ganzheitlich gefördert, kommen sie erfahrungsgemäß mit dem in der gymnasialen Oberstufe (NRW) ab Klasse 11 nicht mehr gewährten Nachteilsausgleich sehr gut zurecht.
- Aber auch während der gymnasialen Oberstufe (NRW) oder während des Studiums bietet ganzheitliche Lernförderung für Schüler und Studenten die Möglichkeit zur umfassenden Wahrnehmungsförderung und Automatisierung grundlegender Low-Level-Fertigkeiten im Rahmen eines Oberstufen-Spezialkurses bzw. eines Studenten-Spezialkurses.