Rauf aufs Rad! (Leben & Erziehen 04/2009)

Foto: BMW

Text: Josef Pütz, Gerda Klier
Presseartikel Leben & Erziehen 04/2009

Jetzt ist die ideale Zeit für einen Fahrrad-Ausflug ins Grüne.

Ob ihr Sohn oder Ihre Tochter dabei begeistert mitmacht, entscheiden Sie mit. Denn viel hängt davon ab, wie Kinder Rad fahren lernen. Unsere Expertin Lilo Franzen sagt, worauf es dabei ankommt.

1. Spaß an der Bewegung
Hüpfen, springen, balancieren, schaukeln, klettern, schlittern: Je mehr und je vielfältiger kleine Kinder sich bewegen, desto besser entwickeln sich ihr Gleichgewichtssinn, ihr Raumgefühl und ihre Körperkoordination. Lilo Franzen: „Gut, wenn Eltern so oft wie möglich mit ihnen auf dem Spielplatz und in der Natur unterwegs sind und sie dort toben lassen.“

2. Früh üben lassen
Rad fahren lernen beginnt lange vor dem ersten Kinderrad: Auf einem Rutscher-Auto (Bobby-Car) üben die Kleinen, verschiedene Aufgaben gleichzeitig zu erledigen (abstoßen und lenken) sowie Hindernisse zu umfahren. Auf einem Dreirad trainieren sie die typischen Tretkurbelbewegungen und stärken die Beinmuskulatur. Laufrad und Roller sind eine ideale Vorschule für das Radfahren. „Auf allen Fahrzeugen sammeln Kinder wichtige Erfahrungen mit dem Raum, Geschwindigkeit und Bremswegen“, sagt Lilo Franzen.

3. Laufrad zum Üben
Für Eltern, die kein Laufrad kaufen wollen, hat Professor Dr. Volker Briese, ehrenamtlicher Fachreferent für Verkehrspädagogik beim Allgemeinen Deutschen Fahrradclub (ADFC), einen guten Tipp: „Verwandeln Sie durch Abschrauben der Pedale das Fahrrad in ein Laufrad. Kann ihr Kind sicher damit umgehen, schrauben Sie die Pedale wieder an und das Kind wird nach wenigen Versuchen Rad fahren.“

4. Die richtige Größe
Ein Kinderfahrrad muss passen, sonst ist der Spaß an der Bewegung schnell verflogen. „Die ideale Fahrradgröße für Fahranfänger im Kindergartenalter liegt bei 12 bis 18 Zoll – je nach Größe und Geschicklichkeit des Kindes“, sagt Lilo Franzen. „Lieber die kleinere Größe wählen, denn damit fährt das Kind sicherer und lernt leichter.

5. Ohne Stützräder
Experten raten von Stützrädern schon lange ab. Sie verhindern, dass Kinder die richtige Kombination von Treten, Lenken, Bremsen und Gleichgewichthalten lernen. „Und sie sind gefährlich, wenn eine Seite über die Bordsteinkante oder in ein Schlagloch absackt“, sagt Prof. Dr. Volker Briese. Außerdem gewöhnen sich Kinder bei Stützrädern eine falsche Kurvenlage an und verlagern ihr Gewicht nach außen anstatt nach innen. Gefährlich ist zudem, dass Rädchen mit Stützrädern auch rückwärts rollen können.

6. Ausgeschlafen sein
Satt, ausgeschlafen und bei guter Laune – so lernt man radeln. Am späten Freitagnachmittag nach einer anstrengenden Woche sind weder Eltern noch der Nachwuchs in Bestform. Ein besserer Termin wäre zum Beispiel samstags um 11 Uhr, wenn die Eltern noch geduldig und die Kinder topfit sind.

7. Runter von der Straße
Gleichgewicht halten, lenken, anhalten, auf- und absteigen – da sind Kinder gefordert. Deshalb sollten sie diese motorischen Fähigkeiten in sicherem Umfeld erlernen können. Das gilt auch für die ersten Übungsfahrten auf dem Rad: immer unter Aufsicht der Eltern auf Plätzen ohne Verkehr.

8. Karnickelgriff
Das Anfahren ist für viele Kinder das Schwierigste, weil sie erst ihr Gleichgewicht finden müssen. Wenn die Kleinen wie mit dem Laufrad loslaufen und erst bei ausreichender Geschwindigkeit die Füße auf die Pedale setzen und selbst treten, klappt es meist. „Sehr gute Erfahrungen habe ich mit dem sicheren „Karnickelgriff“ an der Kleidung im Nacken gemacht“, sagt Lilo Franzen. „Das Kind wird dabei nicht geschoben, sondern unterstützt. Denn treten muss es natürlich immer noch selbst.“

9. Blick nach vorn
Ihr Kind bleibt im Gleichgewicht, wenn sein Oberkörper, sein Kopf und sein Blick in die Fahrtrichtung weisen. Lilo Franzen erklärt: „Sehr hilfreich dafür ist es, wenn das Kind immer wieder auf ein nicht fest installiertes Ziel – wie etwa einen Pappkarton – zufahren kann, den es vor sich sieht.“ Dann fällt es dem kleinen Radler leicht, immer nach vorne zu schauen.

10. Bremsen erlauben
Um bei Gefahr richtig reagieren zu können, muss das Kind reflexartig in jeder Fahrsituation sicher und kontrolliert bremsen können. Lassen Sie ihr Kind anfangs ruhig seine Vollbremsungen machen und schimpfen Sie nicht, dass der Reifen abgefahren werden könnte oder dass gar die Schuhsohlen leiden könnten.

11. Übung muss sein
Sobald das Kind sicher fährt, sollten Sie das Radeln in Ihr Alltagsleben einbauen: Wenn Sie joggen, kann ihr Kleines neben Ihnen radeln. Oder der sonntägliche Familienspaziergang wird für den Nachwuchs zum Radausflug.

12. Selbst fahren!
Auch beim Radeln gilt: Das beste Vorbild sind die Eltern. Wer selbst oft mit dem Rad (und dem Nachwuchs im Kindersitz oder Anhänger) unterwegs ist, weckt damit das Interesse der Kleinen am Radeln. Lilo Franzen: “Das ist immer noch der wirksamste Motor, möglichst bald selbst das Radfahren zu lernen.“

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